Johann Bosch (auch Posch, Wanderfotograf, aktiv um 1841–1865), Graz
Graz, Blick vom Nikolaiplatz in Richtung Schlossberg, mit Albrechtsbrücke, Kettenbrücke und Franziskanerkirche, 1856
Salzpapier, 24,5 x 40,7 cm, bezeichnet auf der Rückseite „Photographisch aufgenommen im Frühjahr 856 und mir zum Geschenk gemacht am 8. Sep. 856 von Herrn Jos. Bosch, Asphaltanstaltsbesitzer“ sowie „Graetz von der mittleren Brücke aus, am Gries“; Stempel Archiv des Joanneums Graz, bezeichnet Vorderseite „c.1855“
Die Handschrift auf der Rückseite der Fotografie konnte nicht identifiziert werden. Dem Schreiber ist bei der Abkürzung des Vornamens des Fotografen „Jos.“ offenbar ein Irrtum unterlaufen, denn das Blatt ist Johann Bosch zuzuschreiben.
Ortsbildersammlung, Graz OBS-II-Graz-C-2-B-021
Johann Bosch, Inhaber einer Asphaltanstalt in Wien, wendet sich bald nach der Bekanntgabe der Erfindung der Fotografie, 1839 in Paris, dem neuen Medium Fotografie zu und ist zunächst als Wanderfotograf tätig. 1841 arbeitet er erstmals vorübergehend in Graz, wo er im Garten des Withalm‘schen Coliseum auf Auftrag Porträt-Daguerreotypien anfertigt. 1844 unterhält er ein Fotoatelier in der Schörgelgasse und aus den 1850er und frühen 1860er Jahren stammt eine Serie von Aufnahmen von Graz bzw. von der Steiermark, die 1864 in der „Ersten Photographischen Ausstellung in Wien“ im Palais Dreher ausgestellt sind. Bosch ist Mitglied der Photographischen Gesellschaft seit ihrer Gründung im Jahr 1861.
Er arbeitet in Graz, Wien, Zagreb, Laibach, Triest und in Deutschland - in der Frühzeit vornehmlich als Porträtist und fotografiert Landschaften und Stadtansichten.
Das Foto zeigt einen Blick auf Graz von Süden. Der Fotograf hat seine Kamera auf dem rechten Murufer, auf dem damaligen „Nikolaiplatz“ (heute Teil des Grieskai), positioniert und nach Nordosten in Richtung Schlossberg gerichtet.
Links im Vordergrund ist die bis 1878 an dieser Stelle befindliche Nikolaisäule zu sehen, die später im Zuge der Umgestaltung des Kais nach Süden versetzt und 1944 bei einem Bombenangriff zerstört wurde. Die Brücke im Vordergrund ist die hölzerne Albrechtsbrücke, Vorgängerin der heutigen Tegetthoffbrücke, dahinter ist die 1843-1845 errichtete Franz-Carl-Kettenbrücke zu erkennen. Rechts im Bild sieht man die 1854/55 begonnenen Befestigungsmaßnahmen am linken Murufer. Die wenige Jahre später südlich der Kettenbrücke angelegte Uferstraße, für die einige Häuser an der Mur abgebrochen werden mussten, ist auf der Fotografie noch nicht zu sehen. Vom rechten Bildrand angeschnitten sieht man einen Teil der Rückseite des k.k. Monturdepots, ehemals Kloster- und Kirche der Karmelitinnen.
In der Sammlung des Landesarchivs gibt es eine zweite frühe Fotografie dieses Bereichs der Grazer Innenstadt – der Autor ist unbekannt – die ca. fünf Jahre früher anzusetzen ist, nämlich vor Inangriffnahme der Uferbefestigung.
Johann Boschs Fotografie zählt zu den frühesten fotografischen Ansichten von Graz. Das Besondere an diesem Blatt ist in der Tatsache zu sehen, dass es – zeitgleich mit einer Reihe von gemalten, gezeichneten und lithographierten Graz-Ansichten entstanden – in Bildausschnitt und Komposition ganz in der Tradition der Grazer Stadtveduten der Biedermeierzeit steht. Es stellt so ein interessantes Beispiel für die inhaltliche und formale Nähe von Malerei bzw. Grafik und Fotografie dieser Zeit dar.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Fotografie in Österreich nimmt das vorgestellte Foto ebenfalls einen wichtigen Platz ein. So war es 1979 in der Ausstellung „Geheimnisvolles Lichtbild – Anfänge der Photographie in der Steiermark“ in Graz und Leoben zu sehen und 1983/84 in der ersten großen Ausstellung zur „Geschichte der Fotografie in Österreich“ in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck.