Leopold Bude (1840–1907), Graz
Gruppenporträt mit Ferdinand Krauss, Josef Gauby, Johann Krainz, Hans Brandstätter, Karl Morre und Peter Rosegger, 1892
Albuminpapier, getont, Cabinetformat, 16,8 x 11 cm (Karton), auf der Vorderseite handschriftlich bezeichnet mit den Namen der sechs dargestellten Personen;
Steiermärkisches Landesarchiv, Porträtsammlung, PS-Gruppenporträts-M7-H74
2013 feiert die Steiermark ein Rosegger-Jubiläum: Vor 170 Jahren, am 31. Juli 1843, wurde am Alpl bei Krieglach Peter Rosegger geboren. Aus diesem Anlass wird das Jahr über in einer Reihe von Veranstaltungen und Projekten des steirischen Dichters gedacht sowie der Stellenwert seines Werkes und seiner Ideen in der Gegenwart beleuchtet werden. Dem folgend ist auch die erste „Fotografie des Monats“ des Jahres 2013 eine Gruppenaufnahme mit Peter Rosegger.
Von Peter Rosegger (1843-1918) gibt es eine Vielzahl Porträtfotografien aus verschiedenen Phasen seines Lebens. Der Großteil der Aufnahmen datiert aus seiner zweiten Lebenshälfte und stammt vornehmlich von seinem Freund, dem Mürzzuschlager k. u. k. Hof-Photographen Franz Josef Böhm (1874-1938). Aber auch andere prominente Fotografen konnten Peter Rosegger zu ihren Kunden zählen, so auch der Grazer k. u. k. Hof-Photograph Leopold Bude (1840-1907), von dem die aktuelle Fotografie des Monats stammt.
Die Aufnahme ist kein Einzelporträt des Dichters, sondern ein Gruppenbild, das ihn im Kreise einiger Freunde, alles namhafte Persönlichkeiten des Grazer Kunst- bzw. Kulturlebens des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, zeigt.
Man sieht sitzend, von links nach rechts, den Bildhauer Hans Brandstetter (1854-1925), den Schriftsteller und Politiker Karl Morre (auch Carl Morré, 1832-1897) und den Schriftsteller Peter Rosegger (1843-1918), hinter diesen stehen, von links nach rechts, der Heimatforscher Ferdinand Kraus (1848-1898), der Komponist Joseph Gauby (1851-1932) und der Schriftsteller und Volkskundler Johann Krainz (Pseudonym Hans von der Sann, 1847-1907).
Die sechs Herren haben sich im Atelier Bude in der Alleegasse 6-8 (heute Girardigasse) eingefunden, um ein nicht ganz alltägliches Gruppenbild machen zu lassen. Bekannter Maßen verband sie eine enge Freundschaft und das wollten sie bzw. das wollte Leopold Bude offensichtlich in der Aufnahme zum Ausdruck bringen. So bestand zwischen Karl Morre und Peter Rosegger, die sich auch literarisch gegenseitig beeinflussten, eine besonders enge Verbindung, in dem Foto dadurch sichtbar gemacht, dass sich die beiden Männer an den Händen halten und Morre seinen Arm um Rosegger gelegt hat. Ferdinand Kraus (zweite Reihe links) war ein Förderer von Hans Brandstetter, als Zeichen dessen hat er auf dem Foto seine rechte Hand auf die Schulter seines Protegé gelegt. Gauby hat seine Hände Morre auf die Schultern gelegt.
Die Anordnung der Personen im Bild ergibt einen geschlossenen Block, was die persönliche Verbindung der Porträtierten untereinander noch unterstreicht. Alle sechs Personen haben ihre Blicke konzentriert auf einen Punkt gerichtet, der rechts außerhalb des Bildes liegt, eine weitere Steigerung des Ausdrucks der Zusammengehörigkeit. Es gibt keine Atelierkulissen, Staffagestücke oder Attribute, nur die Personen selbst, die das Bild weitgehend ausfüllen.
Bei dieser Fotositzung im Atelier Bude ist nicht nur das vorliegende Foto entstanden, sondern zwei weitere Bilder. Eine großformatige Aufnahme (GrazMuseum, Graz, Inv. TH 248L) zeigt dieselben sechs Personen in einer völlig anderen Anordnung: szenisch arrangiert, teils sitzend, teils stehend in einer Atelierkulisse mit Bäumen, Felsen und Grasboden, locker gruppiert um einen bäuerlichen Tisch, auf dem ein Krug steht. Karl Morre spielt die Gitarre, Hans Brandstetter die Zither. Die Dargestellten wirken entspannter und weit weniger ernst als auf dem ersten Foto. Das dritte Foto (Steiermärkische Landesbibliothek, Graz, Nachlass Peter Rosegger) zeigt dasselbe Ambiente wie das vorhergehende Foto, die Anordnung der Personen variiert etwas und eine zusätzliche Person ist dazugekommen, nämlich der Schriftsteller Rudolf Hans Bartsch (1873-1952), der ebenfalls zum engeren Freundeskreis der genannten Personen zählte.
Die Verbindungen der Dargestellten waren naturgemäß auch künstlerische. So hat Hans Brandstetter die Skulptur „Waldlilie“ im Grazer Stadtpark, benannt nach der Titelfigur der Erzählung „Die Waldlilie im Schnee“ von Peter Rosegger, geschaffen, weiter einen Rosegger-Brunnen in Kapfenberg, ein Denkmal für Karl Morre im Grazer Volksgarten und das Grabmal für Ferdinand Kraus und er hat für den „Heimgarten“, eine von Rosegger herausgegebenen Zeitschrift, geschrieben. Auch Morre, Krainz und Kraus haben Texte im „Heimgarten“ veröffentlicht, Peter Rosegger wiederum hat über seinen Freund Morre geschrieben. Der Freundeskreis um Rosegger und Morre, zu dem auch noch andere Künstler und Grazer Persönlichkeiten gehörten, traf sich regelmäßig im „Krug zum grünen Kranze“, einer Weinstube in der Grazer Herrengasse.
Eine weitere Gemeinsamkeit von vier der sechs Herren auf dem Foto – Rosegger, Brandstetter, Morre und Gauby – ist die Mitgliedschaft in der „Schlaraffia Grazia“ (gegründet 1873), dem ersten „Tochter-Reych“ der „Schlaraffia Praga“ (gegründet 1859). Peter Rosegger trat diesem weltweiten deutschsprachigen Männerbund zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor mit dem Wahlspruch „In arte voluptas” (In der Kunst liegt das Vergnügen) 1889 bei, über Empfehlung und unter der „Patenschaft“ von Hans von Reininghaus, Ritter Hannes (auch senna-H) der Gehopfte, der zum Zeitpunkt des Eintrittes von Rosegger Oberschlaraffe des Äußeren war. 1889/1890 veröffentlichte Peter Rosegger im „Heimgarten“ unter dem Titel „Das Reich des Uhu“ (der Uhu, Sinnbild für Weisheit, Humor und Tugend, ist das Symbol der Schlaraffia) einen Artikel über das Wesen der Schlaraffia (Heimgarten 14, 1889/1890, S. 134 ff.). Am 11.4.1891 wurde er zum Ritter Heimgarten der Burggeist geschlagen.
Budes Aufnahme der sechs Freunde ist 1892 entstanden. Das Foto selbst ist nicht datiert, jedoch kann die, wie erwähnt gleichzeitig entstandene, um den Tisch arrangierte Gruppenaufnahme im GrazMuseum 1892 datiert werden. Von dieser Aufnahme (der Abzug selbst ist ebenfalls nicht datiert) gibt es im Steiermärkischen Landesarchiv einen weiteren Abzug, im Postkartenformat, dessen Rückseite ein Entstehungsdatum der Aufnahme angibt: Karl Krainz, der Sohn von Johann Krainz, bedankt sich bei Dr. Wilhem Kadletz (1895-1966) für einen Katalog des Museums Eisenerz und vermerkt, dass die Gruppenfotografie, auf der auch sein Vater Johann Krainz zu sehen ist, 1892 entstanden ist. Darüber hinaus gibt es in der Porträtsammlung des Steiermärkischen Landesarchivs einen Druck nach einem Porträtfoto Peter Roseggers, ebenfalls vom Fotografen Leopold Bude, auf dem der Dichter in derselben Art wie auf den Gruppenfotos gekleidet ist und dieselbe Brille trägt. Das Bildnis war auf dem Titel des Steirischen Haus- und Schreibkalenders des „Grazer Tagblattes“ auf das Jahr 1894 abgebildet. Einen weiteren Anhaltpunkt für die Datierung, soz. einen Terminus ante quem, liefert die Auflistung der Titel und Medaillen des Fotografen Leopold Bude auf der Rückseite des Fotos: 1894 erhielt Bude den Titel eines königlich-belgischen Hof-Photographen und dieser Titel scheint nicht auf der Liste auf.
Leopold Budes Foto ist im sog. Cabinet-Format ausgeführt. Dieses in England entwickelte, nach dem Visit(karten)format zweite, fotografische Standardformat wurde 1867 in Österreich eingeführt und, ebenso wie das kleinere Visitformat, vor allem in der Porträtfotografie verwendet.
Das vorliegende Exemplar trägt, wie in der Atelierfotografie üblich, am unteren Rand des Untersatzkartons, auf den das Foto kaschiert ist, in Goldprägeschrift den Fotografennamen „L. Bude Graz K. u. K. Hofphotograph“. Die Rückseite des Kartons zieren, in dekorativer Anordnung, das kaiserliche Wappen mit dem Doppeladler, der österreichischen Kaiserkrone und dem Schriftband „Viribus Unitis“, Leopold Budes Name mit dem k. u. k. Hoftitel (1888), seine Geschäftsadresse sowie eine Liste seiner Titel, Medaillen und Diplome, u. a. dem Titel eines Hof-Photographen des Herzogtums Sachsen-Meiningen (1887) und die kaiserlich-königliche „Goldene Medaille mit dem allerhöchsten Wahlspruche, Viribus unitis‘“. Der Schnitt des an den Ecken abgerundeten Kartons ist vergoldet.
Von den vielen Fotografien, die von Peter Rosegger existieren, seien es Einzelporträts oder Gruppenaufnahmen, gibt es etliche, die man, zum Teil mehrfach, aus diversen Rosegger-Publikationen und Ausstellungen kennt.
Das besprochene Foto von Leopold Bude aus dem Jahr 1892 gehört zu den ganz selten gezeigten Aufnahmen von Peter Rosegger bzw. seiner Freundesgruppe.
Das Steiermärkische Landesarchiv hat in seinen Bildersammlungen etwa 110 Dokumente zu Peter Rosegger, Porträts und Gruppenaufnahmen (nicht nur Fotografien) und bildliche Darstellungen zu seinem Leben.
Zu Leopold Bude als Porträtfotograf und zu seiner Biografie siehe die Fotografie des Monats Jänner 2012.
Zu Leopold Budes Ansichten von Graz siehe die Fotografie des Monats Juni 2012.
Zur Schlaraffia Grazia: Robert Gapp, Peter Rosegger, Ritter Heimgarten der Burggeist, unveröffentlichtes Manusript, 1993 sowie Dokumente im Archiv der Grazia, Graz.